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Blaetter; Grafik: K. PollnerIch fand mich in einem großen Gitter wieder. Andere warteten dort schon auf ihr Schicksal. Es gab Gerüchte. Ein dürres Ding neben mir behauptete, wir würden in kochendes Wasser geworfen werden. Nein, schlimmer, rief ein Stinker, sie werden unsere Moleküle in einer Zentrifuge zerschmettern und uns zu Brei rühren. Dann werden sie uns schlucken. Ich versuchte, nicht hinzuhören.

Eiskaltes Wasser prallte auf uns herab und drückte uns nieder. Schon erfasste uns ein Beben, die Himmelsrichtungen verwirbelten. Wir flogen durch die Luft und landeten als nasser Haufen in einen anderen Raum. Zylinderförmig ragte die Wand um uns auf. Wir zitterten vor Kälte, unsere klamme Haut klebte aneinander, wo wir uns berührten. Schwindel übernahm meine Sinne. Kreiste die Welt um mich oder ich in der Welt? Der Zylinder drehte sich schneller und schneller. Wir wurden an die Außenwände gepresst. Das musste die Zentrifuge sein. Ich bemühte mich, in Ohnmacht zu fallen.

Nach einer Weile öffnete ich die Augen. Die Drehung war verebbt. Wir lösten uns von der Wand. Der wilde Taumel hatte das Wasser von unserer Haut getrieben.

Ich wagte nicht, mich zu entspannen. Das konnte nicht das Ende des Martyriums sein.

Tatsächlich stürzten wieder oben und unten durcheinander, wir fielen erneut und landeten in einem weiten, glatten Tal. Ich blickte nach oben und sah in die Unendlichkeit.

„Sind wir im Himmel?“, fragte ich.

„Oh nein, mein Kind“, antwortete eine Alte mit schrumpeliger Haut. „Dies ist die Salatschüssel. Unser Schicksal hat sich zum Guten gewendet. Wir werden mit seidigem Öl gesalbt und dürfen dann in der Zeremonie unsere Erfüllung erleben.“

„Was bedeutet das?“, fragte ich.

Ich hatte kein Faible für Spirituelles. Prophezeiungen dieser Art machten mich nervös.

Dann rann köstliches, duftendes Öl aus dem Himmel auf uns herab. Ich saugte es auf, aalte mich darin und vergaß meine Angst.


Eine zweite, diesmal regelgerechte ABC-Etüde. Perfekt war leider zu lang geraten.

Christiane vom Blog „Irgendwas ist immer“ schlägt alle zwei Wochen drei Wörter vor, aus denen ein kurzer Text, eine ABC-Etüde, zu schreiben ist. Der Text darf nicht mehr als 300 Wörter enthalten.

Die Wörter für die Textwochen 04/05 des Schreibjahres 2019 spendete Myriade vom Blog „la parole a été donnée à l´homme pour cacher sa pensée“. Sie lauten: Salatschüssel, seidig und übernehmen.

Vielen Dank nochmals an Christiane und die Wortschenkerin!