
Ich fühle mich immer noch jung und kräftig. Verzaubert zu sein hat seine Vorzüge. Anfangs habe ich dennoch mit meinem Schicksal gehadert. Warum nur war ich auf den Weg gehüpft, ohne mich umzusehen? Die Teiche hatten mich gelockt, die Weibchen, die dort auf mich warteten. Ich war zum ersten Mal unterwegs dorthin und verstand nicht, warum es mich in diese Richtung zog. Ich war unruhig und verwirrt und folgte meinem Trieb.
War es das wert? Ich habe mich so oft gepaart, dass ich dem inzwischen nicht mehr viel abgewinnen kann. Das Gerangel um die Weibchen, endloses Quaken, das viele Wasser, das man schluckt. Ich kenne inzwischen alle Tricks und gewinne jeden Wettkampf. Doch geht es nur darum, der Schönste und Stärkste zu sein? Ist das nicht toxische Männlichkeit? Inzwischen bleibe ich den Teichen im Frühjahr fern und suchte die Gesellschaft meinesgleichen nur in ruhigen Zeiten. Dann, wenn es möglich ist, sich auszutauschen, ohne taub vor Eifersucht und Gier zu sein.
Doch damals war ich jung. Ich hatte keine Ahnung, was mich am Ziel erwartete, aber ich wollte so schnell wie möglich dort sein. Ich hörte die anderen quaken und das machte mich rasend. So kam es zum Unfall. Ein klassisches Szenario: abgelenkt im Verkehr. Seitdem schaue ich stets nach rechts und links, ich habe meine Lektion gelernt.
Ich sprang mitten auf den Weg. Schon schoss ein Fuß auf mich herunter. Der Fuß zerquetschte mich. Der Schmerz raubte mir den Atem. Meine Augen quollen aus dem Kopf. Die Besitzerin des Fußes rutschte aus und fiel. Sie landete auf dem Gesäß. Sie schrie. Wäre ich in diesem Moment weggehüpft, ich hätte mich retten können. Aber ich lag bedröppelt da und starrte.
„Du!“, stieß die Hexe hervor. Um eine solche handelte es sich ohne Zweifel. Sie trug einen hohen, spitzen schwarzen Hut und ihre Haut schimmerte grünlich. Nehmt euch vor Hexen in Acht, hatten sie in der Schule gesagt.
Die Hexe zog ihren Besen zu sich heran und kam mit dessen Hilfe mühsam auf die Beine. Sie rieb ihr Hinterteil. Dabei sezierte mich ihr Blick. Sie zeigte mit einem langen Fingernageldolch auf mich und sagte: „Das wirst du bereuen, du Amphibie.“
„Entschuldigung“, sagte ich und lächelte sie entwaffnend an.
„Das Grinsen wird dir noch vergehen“, sagte sie.
„Ich wollte …“
„Das ist mir egal. Du hast mich angegriffen und wirst dafür bezahlen.“
„Es war ein Unfall.“
„Dann hättest du wohl besser aufpassen müssen.“
„Bitte!“
„Ach, halt den Mund, ich muss nachdenken.“
Ich hatte das Gefühl, dass sie stundenlang dastand und mit den Augen funkelte. Ich wagte nicht, mich zu bewegen. Endlich stach sie mit dem Fingernagel wieder in meine Richtung.
„Ich weiß, was ich mit dir mache.“ Sie lachte und es war ein Lachen zum Davonspringen. „Du wirst so lange in dieser Gestalt leben, bis dich jemand gegen eine Wand wirft. Dann wirst du ein Mensch und zum König dieses Reiches.“
Das klang ja gar nicht so schlecht. Entweder war sie dumm oder netter, als sie aussah.
„Glaub jetzt nicht, dass das kein Fluch ist. Du wirst dich noch wundern.“
Sie kicherte, dass mir die Schwimmhäute gefroren, und humpelte ihres Weges.
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