„Ich möchte ausreisen.“
„Du bist doch nicht gefangen.“
„Allerdings. Ich bin in meinem Alltag gefangen.“
„Und du willst ausreißen? Mach doch, es hält dich niemand.“
„Ausreisen, ich will ausreisen.“
„Über die Grenze? Sagt man das überhaupt noch? Wo wir doch irgendwie alle im Westen sind?“
„Ich weiß nicht. Ich wünschte nur, ich könnte über eine Grenze gehen und in einem anderen Leben landen.“
„Versuche es. Es herrscht Reisefreiheit.“
„Mein Alltag kommt mit.“
„Und wenn du nach Papua-Neuguinea fährst? Da funktioniert dein Alltag nicht.“
„Wer weiß. Dort ist die Netzverbindung besser als hier, fürchte ich. Der Kontakt besteht. Dem Netz entkomme ich nicht.“
„Wirf dein Handy weg.“
„So weit würde ich nicht gehen.“
„Was soll passieren? Du kannst dir ein neues kaufen.“
„Ich werfe nichts weg, was einwandfrei funktioniert.“
„Verschenke es.“
„Und meine Daten?“
„Kannst du löschen. Spende das Handy einer wohltätigen Einrichtung. Handys sind recycelbar. So tust du etwas Gutes und bist raus aus dem Netz.“
„Ganz ohne Handy würde ich mich verloren fühlen.“
„Ein anderes Wort für frei?“
„Frei wie ein Vogel. Hin und her geworfen vom Wind, ein kleiner schwarzer Fleck vor der Weite des Himmelsleuchtens. Das ist mir unheimlich. Ich hab Angst vorm Fliegen.“
„Dann fang klein an. Geh ohne Handy spazieren, benutze die andere Straßenseite, kauf eine neue Sorte Brot.“
„Das ist mir alles zu banal.“
„Ich glaub, du willst gar nichts ändern.“
„Doch, ich will ausreisen.“
„Und ich reiße jetzt aus.“ Geht ab.
Eine ABC-Etüde zu den Wörtern: Himmelsleuchten, recycelbar und ausreisen. Diese drei Wörter sollten in einem Text von maximal 300 Wörtern sinnvoll eingesetzt werden.
Die Wörter gespendet hat Anna-Lena vom Blog „Meine literarische Visitenkarte.
Christiane vom Blog „Irgendwas ist immer“ schlägt alle zwei Wochen neue Wörter vor und sammelt die entstandenen ABC-Etüden. Ein vergnügliches Spiel, offen für alle, die etüdisieren möchten.
Vielen Dank für die Inspiration an Christiane und Anna-Lena!