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Das Bodenlosz-Archiv

Das Bodenlosz-Archiv

Schlagwort-Archiv: Erinnerung

Seelenfutter

30 Sonntag Jan 2022

Posted by Nina Bodenlosz in Allerlei, Schreiben

≈ 7 Kommentare

Schlagwörter

ABC-Etüde, Brausepulver, Erinnerung, Essen, Kindheit, Schule, Sport, Wackelpudding

„Wie wars in der Schule?“

„Gut.“

„Warum frag ich. Du erzählst ja nichts.“

Ich löffle Pichelsteiner Eintopf. Das Gemüse ist weich, ich brauche nicht kauen. Salzige Wärme rutscht durch die Speiseröhre nach unten. Nach dem Radfahren sind meine Beine kalt. Regen läuft in Streifen über die Fensterscheibe. 

„Was habt ihr in Sport gemacht?“, fragt sie nach einem Blick auf meinen Stundenplan am Küchenschrank. 

„Stufenbarren“, sage ich und esse. 

„Wie schön“, sagt sie. „Felgaufschwung?“

„Auch.“ 

„Felgaufschwung war meine Spezialität. Und den Stufenbarren habe ich geliebt.“

Ich fürchte den Stufenbarren. Ich klammere mich panisch fest und werde morgen viele blaue Flecken haben, obwohl ich den Felgaufschwung nicht einmal versucht habe. 

„Besser war nur das Reck. Und Leichtathletik“, sagt sie. „Ich konnte schneller laufen als alle anderen. Was für ein Spaß.“

Ich esse weiter. Sie schwärmt von früher. Ich hätte sie gehasst, wenn sie in meiner Klasse gewesen wäre. Sie hätte mich gehänselt und verspottet. Brillenschlange. Sandsack. Feigling. 

Neben der Spüle steht der Nachtisch. Grüner Wackelpudding.

Sie sieht meinen Blick. 

„Erst der Eintopf, dann der Nachtisch.“

Ich kenne die Regeln. Süßes muss ich verdienen oder heimlich am Kiosk kaufen wie das Brausepulver, das so köstlich auf der Zunge knistert.

Mein Löffel kratzt über das Bild am Boden des Tellers. Unter dem Eintopf fährt eine Kutsche mit vier Pferden an einem Bauernhaus vorbei. Rote Linien auf weißem Grund. Sobald ich das Bild freigegessen habe, bekomme ich den Wackelpudding. 

Den Endiviensalat in Essigsauce habe längst hinuntergewürgt und der Eintopf ist sanft und freundlich. Ich esse mich unverdrossen auf den Nachtisch zu. 

Der Wackelpudding leuchtet. Ich schneide mit dem Löffelchen eine Flusslandschaft in die glatte Oberfläche und lasse Vanillesauce in die Vertiefungen laufen. Im Mund platzt der zuckersüße Glibber und mischt sich mit der milden Sauce. Mit geschlossenen Augen genieße ich einen Moment im Paradies.    


Dies ist eine ABC-Etüde. Drei Wörter mussten in einen Text von maximal 300 Wörtern eingefügt werden. Die Wörter stiftete diesmal Tanja mit ihrem Blog Stachelbeermond. Sie lauten: Wackelpudding, unverdrossen und knistern.

Christiane vom Blog „Irgendwas ist immer“ stellt alle zwei Wochen eine neue Schreibaufgabe: Sie präsentiert eine Wortspende, die in einen Text zu integrieren ist, und sammelt die entstandenen ABC-Etüden. Ein vergnügliches Spiel, offen für alle, die Lust darauf haben.

Herzlichen Dank für die Inspiration, Tanja und Christiane!

Tauchgang

27 Samstag Nov 2021

Posted by Nina Bodenlosz in Allerlei, Schreiben

≈ 3 Kommentare

Schlagwörter

ABC-Etüde, Erinnerung, Geschichte, Museum, Zeit

Stefanie ging jede Woche ins Museum. Sie wechselte die Häuser ab, aber selbst in der Großstadt, in der sie lebte, fing sie bald wieder von vorne an. Das machte ihr nichts aus. Sie stand gebannt vor den Glaskästen und las gründlich die Beschriftungen. Sie entdeckte Details und Zusammenhänge und mitunter gab es neue Präsentationen. 

Weniger als drei Stunden verbrachte sie nie in einem Museum. Sie ließ sich nicht beirren, selbst wenn sie ungeduldige Blicke spürte, weil sie anderen, Eiligeren im Weg war. 

Diese Ausflüge ins Reich des Wissens erfrischten sie wie ein Bad in einem kalten, klaren See. Sie streifte die Verwirrtheit des Alltags ab und konnte frei atmen. 

Im Museum hatte alles seinen Platz. Zwar wandelten sich die Interpretationen und Theorien, aber gemächlich. Sie konnte Schritt halten. In ihrem Kopf fügten sich die vielen Ausstellungsstücke zusammen zu einer Systematik der Welt. Das half ihr, die Eindrücke zu sortieren, die im Leben auf sie einprasselten.  

Sie ging stets alleine ins Museum. Jede Begleitung hatte bislang die Geduld verloren. Alleine konnte sie die Ausstellungen auf sich wirken lassen, bis ihr Durst gestillt war. 

Ihre Freundin Claudia fand diese Museumsbesuche wunderlich. Claudia wanderte durch die Natur oder pflegte ihren Schrebergarten. Museen nannte sie steril und unbelebt. Was Stefanie daran so faszinierte, sollte diese nach Claudias Rat therapeutisch erkunden. Es könne nur biografische Gründe haben. Stefanie müsse sich erinnern, in die blaue Tiefe tauchen und sich den Schreckerlebnissen stellen, die sie einst innerlich versteinern ließen. 

Stefanie ließ diese Worte an sich abperlen. Was wusste Claudia schon von Versteinerungen. In ihnen lebte vergangenes Leben fort. Je länger Stefanie die Gestalt dieser uralten Pflanzen oder Tiere betrachtete, desto klarer trat sie hervor. Manchmal sah sie sogar eine Bewegung im Augenwinkel. Tief tauchen wollte sie gerne, aber nicht biografisch, sondern in die Geschichte der Welt. 


Dies ist eine ABC-Etüde. Drei Wörter mussten in einen Text von maximal 300 Wörtern eingefügt werden. Die Wörter stiftete diesmal Heidi mit ihrem Blog Erinnerungswerkstatt. Sie lauten: Die Wörter lauteten Museum, biografisch und erinnern.

Christiane vom Blog „Irgendwas ist immer“ stellt alle zwei Wochen eine neue Schreibaufgabe: Sie präsentiert eine Wortspende, die in einen Text zu integrieren ist, und sammelt die entstandenen ABC-Etüden. Ein vergnügliches Spiel, offen für alle, die Lust darauf haben.

Herzlichen Dank für die Inspiration, Heidi und Christiane!

Am Küchentisch

03 Sonntag Mai 2020

Posted by Nina Bodenlosz in Allerlei, Schreiben

≈ 12 Kommentare

Schlagwörter

ABC-Etüde, Apfelkuchen, Erinnerung, Kindheit, Wäsche, Zimt

„Bleib auf dem Teppich“, hatte die Oma gesagt. Wer hoch stieg, würde tief fallen.

„Ja, ja“, hatte er geantwortet und sich noch ein Stück Apfelkuchen genommen. 

Er konnte den Zimt riechen. Er drückte die Seite der Kuchengabel auf die Kruste aus Zucker und Zimt. Sie brach auf. Der Kuchen öffnete sich und eine ofenwarme Wolke Apfelzimtduft stieg auf.  Er schob sich einen großen Klumpen in den Mund, der auf der Zunge schmolz, immer noch ein bisschen klietsch in der Mitte. Gierig verschlang er Gabel für Gabel, damit der Geschmack nicht versiegte.

„Nimm noch ein Stück“, sagte die Oma, zufrieden, weil sie den Enkel satt machen konnte. 

Apfel und Zimt füllten seine Mundhöhle, sobald er an die Oma dachte. Als hätte er jahrelang an ihrem Tisch gesessen mit der grell geblümten Wachstuchtischdecke und aus dem Fenster gesehen, wo im Herbstwind ausgewaschene Betttücher flatterten. Die Wäschespinne stand auf einem Bein im Hof. Müde Plastikschnüre hingen zwischen ihren gespreizten Beinen. als wäre die Spinne zugleich ihr Netz. Vereinzelte Wäscheklammen steckten an den Leinen. Sie bildeten ein geheimnisvolles Muster, dessen Rhythmus er nie entschlüsseln konnte.

Die Oma wusch ab, trank Kaffee und löste Kreuzworträtsel. Er schaute aus dem Fenster auf die Wäsche an der Spinne. Er zog mit dem Finger die Konturen der Blumen auf der Tischdecke nach. Er schaukelte mit den Beinen. Niemand mahnte ihn, nach draußen zu gehen oder seine Hausaufgaben zu machen. Er stützte den Kopf auf und strich mit dem Zeigefinger am Rand des Trinkglases entlang. Ein gläserner Gesang füllte den Raum. Sehnsucht stieg in ihm auf. Er konnte sie schmecken. Sie füllte seine Sinne wie vorhin der Apfelkuchen. Sie hinterließ eine Leere, die sich nie füllte. 

Er war auf dem Teppich geblieben, aber die Sterne fehlten ihm.  


Eine ABC-Etüde zu den Wörtern Teppich, gläsern und flattern. Diese drei Wörter sollten in einem Text von maximal 300 Wörtern sinnvoll eingesetzt werden. Diese Wörter sind eine Spende von Myriade mit ihrem Blog la parole a été donnée à l´homme pour cacher sa pensée. 

Christiane vom Blog „Irgendwas ist immer“ stellt alle zwei Wochen eine neue Schreibaufgabe: Sie präsentiert eine Wortspende, die in einen Text zu integrieren ist, und sammelt die entstandenen ABC-Etüden. Ein vergnügliches Spiel, offen für alle, die Lust darauf haben.

Vielen Dank für die Inspiration, Myriade und Christiane!

 

Laubwechsel

10 Freitag Nov 2017

Posted by Nina Bodenlosz in Allerlei

≈ 2 Kommentare

Schlagwörter

ABC-Etüde, Erinnerung, Herbst, Loslassen

An der nassen Scheibe klebt ein Ahornblatt. Sie bewundert den Farbverlauf. Welche Mühe sich Bäume geben, bevor sie das Sommerkleid fallen lassen. Bald steht der Ahorn kahl in den alten Blättern und setzt auf den Frühling.

Sie hält die alten Kleider fest. Stapelt sie in der Kammer, bis sie löchrig und zerschlissen sind. Als krabbelten die Erinnerungen in die Kleider hinein, wenn wir sie tragen. Wünsche und Hoffnungen, die nicht verfliegen, solange die Kleider bleiben.

Lass sie los, sagt sie sich, wirf die angestaubten Träume in den Sturm. Schick sie auf eine Chinareise oder zum Mond und lass dir neue Blätter wachsen.


Herzlichen Dank an Christiane vom Blog „Irgendwas ist immer“ und ihre Schreibeinladung für die Textwoche 45.17.
Elke H. Speidel (transsilabia.wordpress.com) spendete die drei Wörter für diese Woche, aus denen eine Kürzestgeschichte (maximal zehn Sätze) zu bilden war. Sie lauteten: Ahornblatt, Chinareise, krabbeln.

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