Schlagwörter
Mein Vater ging jeden Tag in den Wald, meist alleine, manchmal durfte man ihn begleiten. Bei uns zu Hause war es laut und hektisch, im Wald kehrte Ruhe ein. Bis heute fahre ich schlagartig alle Systeme herunter, sobald ich einen Wald betrete. Mein Atem vertieft sich, mein Puls wird ruhiger, das Gewimmel in meinem Kopf legt sich und klare Gedanken treten an seine Stelle.
Es gibt eine Grenze, an der der Wald beginnt. Manchmal muss ich einen Schritt nach unten tun oder über einen Graben springen. Das Licht ändert sich, der Wald umfasst mich. Ich kann ihn spüren, riechen, hören. Bäume knarzen, schaben sich aneinander, etwas flattert auf, ein Vogel schreit, Unterholz knackt. Im Sommer vibriert der Wald. Es sprießt und krabbelt, schwirrt, knabbert, verdaut und verdörrt. In tiefen Senken steht Wasser, dunkel und gesättigt. Bei Frost ist der Wald hell, die Luft ist klar, das Leben hat sich verkrochen. Aber ich spüre, der Wald schläft und wartet. Er sammelt seine Kraft. Der nächste Sommer ist schon vorbereitet. Wie tröstlich.
Wenn nicht gerade Holzfäller am Werke sind, kann ich im Wald meine Gedanken hören. Ich laufe durch eine Welt, in der ich eine Fremde bin, die mich aber freundlich oder tolerant empfängt. Tiere beäugen mich so vorsichtig wie ich sie. Wir nehmen uns zur Kenntnis und gehen weiter. Unter den Bäumen darf ich sein und denken, was ich will. Ich fühle mich frei und unbeobachtet.
Doch ist das wahr?
Weiterlesen