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„Dein Kopf ist eine Rumpelkammer. Du solltest darin Ordnung schaffen. Lass los, was du nicht mehr brauchst. Deine Erinnerungen sind Ballast.“ 

Sie ließ sich einen Prospekt in die Hand drücken. Eine Aufräumtrainerin für das Hirn bot ihre Dienste feil. Nach den Schreibtischen und Kleiderschränken war nun also der Kopf an der Reihe.

„Ich habe einen Wochenendworkshop besucht und seitdem bin ich voller Energie.“

„Ich schau es mir an.“

„Tu das. Du verschüttest dich in Kram. Alles Energieräuber. Schau dir deinen Schreibtisch an.“

„Das war aber doch ein anderer Kurs.“

„Auch der hat mein Leben verändert. Ich habe nun Struktur.“

Auf Samiras Schreibtisch hatte früher allenfalls ein kleiner Stapel aktueller Unterlagen gelegen, säuberlich Kante auf Kante gelegt, während auf Bettinas Tisch ein buntes Biotop wucherte. Seit Samira Aufräumen zur Religion gemacht hatte, war ihr Schreibtisch leer bis auf Monitor, Tastatur, Maus und Telefon. Am liebsten hätte sie auch das weggepackt, doch die Chefin war dagegen.

Bettina bewunderte Leere. Sie selbst umgab stets ein Universum an Dingen, die sich auf allen Oberflächen niederließen. 

Und nun sollte sie noch in ihrem Kopf Ordnung schaffen? Es klang effizient. Wahrscheinlich wäre es besser für sie. 

In ihrem Hirn lagerten so viele Relikte. Sie hatte keinen Überblick. In ihrem Gedächtnis fügte sich Kammer um Kammer. Darin verstaubten Erfahrungen und Erinnerungen. Manchmal öffnete sie mutvoll eine Tür und fand unter Spinnweben eine alte Liebe oder einer alten Schmerz. Gerümpel hätte es Samira genannt. Plunder, der wie Blei an ihren Füßen hing. Sie sollte ihren Kopf besenrein machen, dann könnte sie frisch ausschreiten. Doch bei dem Gedanken schauderte es sie. Sie zehrte von den Schätzen in ihrer Rumpelkammer. In schlechten Zeiten stöberte sie darin. Sie verlor sich in Gedanken, ja, aber sie spürte, wer sie war.


Eine ABC-Etüde zu den Wörtern Rumpelkammer, mutvoll und zehrenDiese drei Wörter sollten in einem Text von maximal 300 Wörtern sinnvoll eingesetzt werden. Diese Wörter sind eine Spende von Ludwig Zeidler.

Christiane vom Blog „Irgendwas ist immer“ stellt alle zwei Wochen eine neue Schreibaufgabe: Sie präsentiert eine Wortspende, die in einen Text zu integrieren ist, und sammelt die entstandenen ABC-Etüden. Ein vergnügliches Spiel, offen für alle, die Lust darauf haben.

Vielen Dank für die Inspiration, Ludwig und Christiane!