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“Wie schön die Forsythien blühen”, sagte Frau Grau. Sie ließ sich auf der schüchtern ergrünenden Wiese nieder. Ihre Äuglein blinkten im Sonnenlicht. Sie seufzte, drehte sich auf den Rücken und streckte alle Viere von sich.
“Meinst du, das ist angemessen?”, sagte Frau Scharf und nieste. “Man kann dich vom Haus aus sehen.”
“Sie kommen nicht raus”, antwortete Frau Grau. “Seit Tagen bleiben sie in ihren Höhlen und schauen aus den Fenstern. Ich kapiere nicht, warum sie im Winter überall herumliefen und unsereins störten, aber jetzt, wo es wärmer wird, sitzen sie im Dunkeln herum.”
“Verstehe einer die Menschen”, sagte Frau Scharf. Sie raschelte mit dem Pfoten im Laub unter den Forsythienbüschen auf der Suche nach Essbarem. “Ich finde, der Winter ist zum Schlafen da. Ich bin zu früh aufgestanden. Es kriechen nicht viele von den Kleinen herum. Ich habe Hunger.”
“Es wird besser werden,” Frau Grau hob ihren apart gestreiften Schwanz und betrachtete ihn bewundernd. Sie war ein prächtiges Tier.
“Eitel, eitel”, riefen die Spatzen und schossen an ihrem Kopf vorbei. Frau Grau würdigte sie keines Blickes.
“Es ist zu kalt, um wach zu sein,” sagte Frau Scharf. Sie nieste noch einmal. “Die Forsythien sind viel zu unvernünftig, sie werden erfrieren.”
“Gar nicht, gar nicht”, riefen die Spatzen.
“Seid ruhig, ihr lächerlichen Flatterer.”
Die Spatzen lachten hysterisch und rumorten im Gebüsch.
“Mensch, Mensch, Mensch”, schrie dann einer und die anderen fielen kreischend ein.
Frau Scharf rollte sich zu einem Morgenstern zusammen, Frau Grau stand gemächlich auf und latschte unter die Forsythie.
Der Mensch lief an der Hecke entlang, klappte die Mülltonne auf, warf eine Tüte hinein und ging er direkt zurück ins dunkle Haus. Frau Grau schüttelte den Kopf. Dann schnüffelte sie und schlenderte zur Mülltonne. Köstliches war geliefert worden.
Eine ABC-Etüde zu den Wörtern: Forsythien, lächerlich und erfrieren. Diese drei Wörter sollten in einem Text von maximal 300 Wörtern sinnvoll eingesetzt werden. Diese Wörter sind eine Spende von Elke H. Speidel und ihrem Blog Transworte auf Litera-Tour.
Christiane vom Blog „Irgendwas ist immer“ stellt alle zwei Wochen eine neue Schreibaufgabe: Sie präsentiert eine Wortspende, die in einen Text zu integrieren ist, und sammelt die entstandenen ABC-Etüden. Ein vergnügliches Spiel, offen für alle, die Lust darauf haben.
Vielen Dank für die Inspiration Elke und Christiane!
gkazakou sagte:
Köstiches hast du da geliefert!
Katharina sagte:
Schöne Etüde. Von Außen scheint die Situation genauso abstrakt auszusehen, wie von Innen.
Nachdem Christiane geschrieben hat, was der Frühling derzeit von uns denkt und du nun die freilebenden Tiere, müsste eigentlich noch jm. die Sicht der Haustiere einnehmen. 😅
Christiane sagte:
Ha! Ich wusste nicht, dass Igel eitel sind! Vielen Dank! 😀
Ich stimme Katharina zu, es müsste sich jetzt eigentlich noch wer um die Haustiere kümmern … aber soll ich dir was verraten? Es kommt jetzt eine Extraetüdenwoche! Es ist also noch Gelegenheit, um es mal so auszudrücken …
Liebe Grüße und vielen Dank, verglichen mit sonst bist du heute geradezu früh dran …
Christiane 😉
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