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Meine Netzwerkkollegin Heide Liebmann schlug eine besondere Aktion vor: eine Oldies but Goldies Advents-Blogparade. Dabei bekommen alte Blogbeiträge, eine zweite Chance, gelesen zu werden.
Eine prima Sache, an der ich mich gerne beteilige, denn in den hinteren Ecken des Bodenlosz-Archivs verstecken sich inzwischen einige Schätze, die wieder ans Tageslicht kommen sollten.
Hier ist mein Beitrag (vom 26. Juli 2013) zu Heides Blogparade – über Männer und Frauen, Unscheinbarkeit, Wertschätzung, jede Menge Tränen und last, but not least Dustin Hoffman.

Tränen; Grafik: K. PollnerIm Internet kursiert ein Video, in dem Dustin Hoffman weint. Er erinnert sich, wie er schon einmal weinen musste, als er sich auf den Film Tootsie vorbereitete. Er sah sich als Frau und war enttäuscht, dass er nicht schöner war. Und als er spürte, wie es war, eine nicht so schöne Frau zu sein, kamen ihm die Tränen. Er wusste, dass er selbst eine Tootsie nicht beachten würde. Eine unscheinbare Frau musste uninteressant sein. Doch Tootsie kannte er von innen und sie war ein toller Mensch. Er erkannte das Ausmaß der Gehirnwäsche, die er erfahren hatte, und brach also in Tränen aus. Und da es sich nun mal um Dustin Hoffman handelt, tat er das äußerst ergreifend.

Ich bin seit etlichen Jahrzehnten gewöhnt, eine Frau zu sein und durch die Frauenspezialbrille gesehen zu werden. Es bringt mich inzwischen nicht mehr so oft zur Verzweiflung. Wenn ich darüber weinen muss, sieht das leider auch nicht so malerisch aus wie bei Dustin Hoffman. Meine Chancen, beachtet und wertgeschätzt zu werden, sinken dadurch rapide weiter ab.

Nimm es also wie ein Mann, Madame, sage ich mir. Oder eben gerade nicht? Es ist ein komplizierter Gedankengang, in dem ich mich schnell verheddere. Wie nimmt es denn ein Mann, wie eine Frau? Und wenn ich es nehme, wie ein Mann, werde ich dennoch als Frau gesehen, von der niemand ahnt, dass sie es innerlich nimmt wie eine Frau oder Madame oder Monsieur. Und ich – im Zustand fortgeschrittener Gehirnwäsche – sehe doch selbst als Frau die Frau als Frau, den Mann als Mann und weiß gar nicht, was das bedeuten soll. Es ist zum Heulen, in der Tat.

Natürlich heule ich nicht, ziehe ein hübsches Sommerkleid an und versuche, das Leben zu genießen, auch wenn es verrückt ist.

Es sind die Kleinigkeiten, die mich irritieren. Wenn mein Chef im Jahresgespräch nicht nur die Arbeit kommentiert, sondern das Lächeln. Wenn ein alter, ungepflegter Mann, dem ich grübelnderweise auf dem Rad begegne, mir zuruft, ich solle die Sonne scheinen lassen. Als Frau muss ich nett und nett anzusehen sein. Immer. Tag und Nacht. Es ist meine verdammte Pflicht und Männer erwarten, das ich sie tue.

Manchmal nutze ich die Gehirnwäsche für meine Zwecke und staune, wie gut Männer funktionieren können, wenn man sie hilflos anlächelt und dabei ein hübsches Kleid trägt. Taschen wandern von selbst auf die Ablage, Türen öffnen sich, Regale dübeln sich an.

Wohl fühle ich mich dabei nicht. In meinem Herzen träume ich immer noch davon, in einer Welt zu leben, in der es schön ist, eine Frau zu sein, doch nicht bedeutet, dass vieles an mir ungesehen bleibt und unerwünscht ist. In der ich freundlich sein kann und strahlen, aber auch traurig oder ernst sein darf. Vielleicht auch mal missmutig oder verstimmt. Dass es mir als Frau zusteht, das ganze Stimmungsrepertoire zu zeigen, ohne dafür abgestraft zu werden.

Das gilt natürlich alles auf andere Weise auch für Männer. Sie sind selbst Opfer der Gehirnwäsche. Aber ich kann darüber wohl erst weinen, wenn ich einmal als Mann in den Spiegel gesehen und gespürt habe, wie ich mich selbst verkenne. Wenn Hollywood anruft, würde ich dafür auch eine Hauptrolle annehmen.