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Schneemann; Grafik: K. PollnerWie gerne hätte er einen Glühwein getrunken.

Er schaute durch das Fenster und stellte sich vor, wie es wäre, die glutrote, heiße Flüssigkeit in sich aufzunehmen, wegzutauen im Genuss.

Es wäre eine Art Suizid, dachte er, doch sein Leben würde ohnehin nicht mehr lang währen.

Wobei das eine Frage der Philosophie war, denn er würde übergehen in einen anderen Aggregatszustand, versickern in der Materie, einfließen in das große Nass.

Und im neuen Winter könnten ein paar Moleküle aus seinem Leib wieder zu Schnee gefrieren.

Doch wäre das er selbst oder auch nur ein Teil seines Selbst, würde er dann noch ein Ich denken können, dass ein Sich bedingte?

Er starrte weiter durch das Fenster, er konnte den Kopf ja nicht wenden oder die Kohleaugen schließen, er war verdammt dazu, auszuharren und Zeuge zu sein, wie sie da saßen und tranken und Blues hörten.

Sie sahen ihn nie an, es war, als würde er nicht existieren, dabei hatten ihn ihre eigenen Kinder aufgerichtet wie einen Götzen, bevor sie ihn vergaßen und dem Tauwetter anheimgaben.

Er war ein Menetekel der Vergänglichkeit, ein Gedanke, der ihn wieder aufrichtete, denn er verlieh seinem Vergehen ein Sein und ein Bewusst-Sein, das ihn dem schieren Vorhanden-Sein der dinglichen Welt enthob.

Nur eines bedauerte er: Dass er seine Erkenntnisse der Nachwelt nicht übermitteln konnte.

 


Das ist die fünfte Tür in meinem erratischen Adventskalender mit Kürzestgeschichten. Aus drei Wörtern bildete ich eine Adventsetüde mit maximal 10 Sätzen.

Eingeladen zu den Etüden hat nach wie vor Christiane vom Blog „Irgendwas ist immer“ (Schreibeinladung für die Adventswochen). Merci!

Für den Advent hat sie 24 Wörter vorgegeben, aus denen man je drei wählen kann (hier fiel mein Los auf: Schnee, Glühwein, Blues).